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Laut Jens Krane, Leiter Fusionen und Zusammenschlüsse der Commerzbank AG, „häuft sich die Zahl der zum Verkauf stehenden deutschen KMU seit Jahren“. Dieser Prozess ist maßgeblich auf die derzeitig anschwellende Welle altersbedingter Ruhestände von Unternehmer:innen in Deutschland und Europa zurückzuführen. Natürlich liegt die Entscheidung über den Verkauf letztlich bei den Unternehmer:innen. Die weitreichenden Auswirkungen dieser Transaktionen erfordern jedoch ein verantwortungsvolles Eingreifen der Politik. Nachfolgestrategien dienen nicht nur der Erleichterung der Unternehmensfortführung, sondern auch der Sicherung von wirtschaftlichem Wohlstand und sozialem Wohlergehen.
In den kommenden Jahren wird die bevorstehende Ruhestandswelle deutscher Unternehmer:innen voraussichtlich erhebliche Veränderungen in der Eigentümerstruktur deutscher Unternehmen verursachen. Eine Untersuchung der Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) trifft die Schlussfolgerung, dass bis 2027 jährlich 125.000 deutsche KMU ihre Eigentümer:innen wechseln werden. Das bedeutet, dass in den nächsten vier Jahren eine halbe Millionen KMU die Besitzer:innen wechseln werden. Dieser Prozess birgt erhebliche Risiken für alle Beteiligten: Mitarbeitende, lokale Kommunen, die Unternehmen selbst und letztenendes auch der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt.
Lokal verankertes Eigentum sichert Arbeitsplätze und bietet durch Steuereinnahmen und anderweitige Abgaben finanzielle Stabilität für Kommunen, Länder und dem Bund. Deutsche KMU, die sich in der Regel im Besitz von Familien oder auch Einzelpersonen befinden, sind für lokale Akteure eine wertvolle Stütze und bieten einen Mehrwert, der über den rein wirtschaftlichen Nutzen hinausgeht. Dadurch, dass sich Unternehmer:innen sehr oft aktiv in der lokalen Gemeinschaft engagieren, sich auch oft aktiv an Sport-, Kultur- und Freizeitprogrammen beteiligen und diese fördern sind sie öfters integrale Bestandteile lokaler Identitäten. Daher ist der langfristige Erhalt lokalen Eigentums für eine florierende deutsche Wirtschaft von entscheidender Bedeutung.
Die Erhaltung lokalen Eigentums ist keine leichte Aufgabe. Verschiedene Studien zeigen beispielsweise, dass jüngere Menschen weniger geneigt sind, Familienunternehmen zu übernehmen, und stattdessen lieber Möglichkeiten außerhalb des Familienkreises erkunden, um ihre Karriere aufzubauen.
„Die Denkweise der Erben hat sich geändert, und immer weniger Unternehmenserben sind bereit, die Verantwortung als Geschäftsführer des Unternehmens ihrer Eltern zu übernehmen.“
– Jan-Philipp Pfander, Proventis Partners
Aus Mangel an Alternativen werden daher immer mehr lokale KMU an externe Käufer wie Private-Equity-Gesellschaften (PE) oder große Wettbewerber verkauft. Den neuen Eigentümer:innen fehlt häufig das Engagement für das langfristige Weiterbestehen des Unternehmen, welches noch im ureigensten Interesse der Gründer:innen liegt. Die Prioritäten der Eigentümer:innen verschieben sich von der Nachhaltigkeit des Geschäftsbetriebs, guten Arbeitsbedingungen und der Sorge um das Gemeinwohl hin zur Wertabschöpfung oder auch Renditemaximierung – oft auf Kosten der Belegschaft, Kunden und Zulieferer – und dadurch der Gesellschaft und den betroffenen Regionen als Ganzes.
Um die langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Mittelstands zu gewährleisten, bedarf es daher einer strategischen Entwicklungspolitik, die Instrumente zur Bewältigung der Eigentumsnachfolge in lokalen Unternehmen bereitstellt.
Ein Blick um den Globus zeigt Erfolgsmodelle mit Relevanz für Deutschland: Beispielsweise ist eines der am weitesten verbreiteten Instrumente für die Eigentumsnachfolge in den USA und Großbritannien die Nutzung spezieller „Mitarbeiterbeteiligungspläne“ (Englisch: Employee Stock Ownership Plans, kurz: ESOPs). ESOPs bieten ein Modell für breit angelegte Mitarbeiterbeteiligungen, die durch eine Zweckgesellschaft und innovative Finanzierungsmodelle durch einbehaltene künftige Unternehmensgewinne, einem Leverage-Modell, ermöglicht werden.
Allein in den USA gibt es aktuell über 6.500 ESOPs, die rund 15 Millionen Arbeitnehmende beschäftigen, was etwa 10 Prozent des gesamten privaten US-Arbeitsmarkt entspricht. Großbritannien führte 2014 sein ESOP-Äquivalent, den Mitarbeiterbeteiligungsfonds (Employee Ownership Trust, EOT), ein und verzeichnete seitdem einen starken Anstieg der Annahme des Modells. Allein im Jahr 2023 gab es im Rahmen des EOT 410 Nachfolgen in Mitarbeiterunternehmen. Die vielen ESOPs in beiden Ländern sind mit anderen Worten also das Ergebnis Ausweitung der möglichen Optionen für Unternehmensnachfolgen und die Stärkung ihres rechtlichen Handlungsrahmens.
Nachhaltige und inklusive Mitarbeiterbeteiligung trägt dazu bei, das lokale Erbe des Unternehmens langfristig zu bewahren. Hunderte empirische Studien der letzten Jahrzehnte zeigen, dass Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung produktiver, resilienter und nachhaltiger sind. Darüber hinaus erzeugt Mitarbeiterbeteiligung zusätzliche positive externe Effekte, darunter eine gerechtere Vermögensverteilung, was als Alternative zur Erhebung der umstrittenen Vermögenssteuer gesehen werden könnte, mehr lokale Verantwortung und eine verbesserte Führungs- und Finanzkompetenz der Mitarbeitenden.
Die Regierungen von Ländern wie Dänemark, Spanien und Slowenien haben in den letzten Jahren untersucht, welche Möglichkeiten zur Einführung innovativer Mitarbeiterbeteiligungsmodelle existieren. Die EU, die hier für die langfristige Stabilität ihrer Volkswirtschaften Vorteile erkennt, beteiligt sich aktiv an diesen Bemühungen und unterstützt die Forschung von Modellen und speziellen Finanzinstrumenten, welche Unternehmensnachfolgen und -übernahmen durch Mitarbeitende erleichtern könnten.
In den letzten fünf Jahren hat das Netzwerk um das Institut für Unternehmensdemokratie (IfU), vor allem durch sein slowenisches Partnerinstitut Institute for Economic Democracy (IED), die Diskussion zum Thema maßgeblich vorangetrieben. Das IED hat ein standardisiertes europäisches ESOP-Modell vorgestellt, das von verschiedenen Ländern in der gesamten EU übernommen werden könnte und durch das IfU aktuell an den deutschen Kontext angepasst wird.