
Ein Mitarbeiterbeteiligungsfonds ist ein spezieller Fonds, der es Mitarbeitenden ermöglicht, Teilhaber:innen ihres Unternehmens zu werden, ohne dass sie selbst investieren müssen. In Großbritannien gibt es seit 2014 den sogenannten Employee Ownership Trust (EOT). Es handelt sich dabei um ein Übernahme-Modell mit Hebelwirkung, d. h. eine kreditgestützte Übernahme, die durch die einbehaltenen künftigen (!) Einnahmen des Unternehmens finanziert wird. 2014 schuf die britische Regierung eine rechtliche Grundlage für das EOT-Modell, vor allem inklusive Steuervorteile für Verkäufer:innen. Heute gibt es in Großbritannien über 2.500 EOT-Unternehmen, von denen 1.000 in den letzten zwei Jahren gegründet wurden. Inzwischen wird jede zweite Firmennachfolge in Großbritannien durch EOTs gewährleistet.
Kurz zusammengefasst
Verbreitung
- über 2500 Unternehmen (Oktober 2024);
- über 1000 Unternehmen in den letzten zwei Jahren gegründet;
- über 250.000 Mitarbeiter.
Vorteile
- kreditgestützte Übernahme auf Basis zukünftiger Unternehmensgewinne
- Möglichkeit der zeitlich gestaffelten Übernahme
- Beteiligung aller Mitarbeitenden als Standard
Herausforderungen
- Kollektiviertes Eigentum, weshalb individuelle Anreize fehlen
- EOT gewährleistet generell keine Beteiligung an der Unternehmensführung
- Finanzielle Belastung des Kaufs wird vollständig auf die erste Mitarbeitergeneration übertragen
Der EuroESOP baut auf bewährten Verfahren aus Großbritannien auf…
Übernahme mit finanziellem Hebel im Rahmen eines Fonds
Wie das EOT-Modell schafft auch das EuroESOP-Modell eine separate Zweckgesellschaft, die die Unternehmensanteile im Namen der Mitarbeiter hält. Die separate Zweckgesellschaft ermöglicht Teil- und hebelfinanzierte Übernahmen und verankert gleichzeitig die Eigentumsverhältnisse unter den aktiven Mitarbeitern, wodurch eine Verwässerung von Mitarbeiterbeteiligung verhindert wird.
Einbindung aller Mitarbeiter
Das EuroESOP-Modell ermöglicht allen Mitarbeiter:innen eines Unternehmens Miteigentum. Der EuroESOP verhindert aber auch die Trennung zwischen sogenannten Schlüssel- und Nicht-Schlüsselmitarbeitenden. Eine solche Trennung wirkt sich in der Praxis negativ auf die Unternehmenskultur und den Erfolg der Mitarbeiterbeteiligung aus. In einer Genossenschaft dementgegen gibt es eine solche Trennung nicht: jedes Mitglied hat dieselben Rechte innerhalb des Unternehmens.
…und hebt bestimmte Mängel des EOT-Modells auf.
Mitarbeitergenossenschaft statt EOT-Fonds
Im Gegensatz zum EOT-Modell haben die Mitarbeiter beim EuroESOP-Modell das Recht, den Vorstand demokratisch mitzubestimmen. Im EOT-Modell wird der Firmenvorstand vom Vorstand des Beteiligungs-Fonds ernannt, der sich bei einem Unternehmensverkauf in der Regel aus vom Verkäufer ernannten Treuhändern zusammensetzt. Da es sich bei der im EuroESOP-Modell verwendeten Mitarbeitergesellschaft um eine Mitarbeitergenossenschaft handelt, haben die Mitarbeiter:innen als Mitglieder der Genossenschaft das Recht, in der Hauptversammlung des Unternehmens ihre Vertreter:innen zu wählen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Demokratie am Arbeitsplatz positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt und zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit beiträgt. Darüber hinaus ist die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft relativ einfach und kostengünstig zu verwalten.
Kapitalwert-FIFO-Prinzip
Bei Genossenschaften wie das spanische Mondragon muss das Unternehmen dem Mitarbeitenden beim Ausscheiden den vollen Kapitalwert auszahlen, was beim Unternehmen zu Liquiditätsengpässen führen kann. EuroESOP geht mit diesem Phänomen folgendermaßen um: es zahlt einen Teil des Kapitalwerts periodisch entsprechend dem FIFO Prinzip („first in, first out“) aus, sodass das Ausscheiden eines Mitarbeitenden keine zusätzliche finanzielle Belastung für das Unternehmen verursacht. Das FIFO-System ermöglicht somit eine planbarere und nachhaltigere Steuerung des Liquiditätsbedarfs im Falle einer Mitarbeiterfluktuation.
Individualisierung des Eigentums durch individuelle Kapitalkonten
In EOT-Unternehmen werden die einbehaltenen Gewinne vollständig kollektiviert, sodass die Mitarbeitenden keinen Anspruch auf den Kapitalwert des Unternehmens haben. Eine solche interne Kapitalstruktur kann eine Reihe von Problemen mit sich bringen.
Erstens: Da bei Modellen mit kollektiviertem Eigentum das reinvestierte Geld aus Sicht des einzelnen Mitarbeitenden praktisch verloren geht, haben diese wenig Interesse an Kapital oder Humankapital-Investitionen im Unternehmen, was zu einer Kapitalunterversorgung des Unternehmens führen kann.
Zweitens: Da die EOT-Übernahme durch den Unternehmensgewinn finanziert wird und die Mitarbeiter:innen keinen Anspruch auf den Unternehmenswert haben, fällt die finanzielle Belastung der Übernahme vollständig auf die Schultern der ersten Miteigentümergeneration. Das bedeutet, dass nur die nachfolgenden Mitarbeitergenerationen, die nach der Übernahme in das Unternehmen eintreten, finanziell von der neuen Miteigentumsstruktur profitieren. Aufgrund dieser Asymmetrien besteht das Risiko, dass die erste Mitarbeitergeneration nach der Übernahme beschließt, sich durch den Verkauf ihrer Anteile zu belohnen. Im EuroESOP-Modell besteht dieses Risiko nicht, da den Mitarbeitenden nicht nur ein wirtschaftlicher Anspruch auf Gewinn, sondern auch ein Anspruch auf den Unternehmenswert, zusteht. Zu diesem Zweck werden im Modell individuelle Kapitalkonten eingerichtet, auf denen der Kapitalanteil eines jeden Mitarbeitenden erfasst wird. Das System der individuellen Kapitalkonten ist auch bei den Mondragon-Genossenschaften und bei ESOP-Unternehmen in den USA vorhanden.